Blickpunkt Nottuln
28.09.2025
Blickpunkt Nottuln
Der jüdische Friedhof in Nottuln hat jetzt einen Namen: Beth Hachajim (Haus des Lebens). Eine Bronzetafel am Eingang weist jetzt darauf hin
Blickpunkt Nottuln
Der unter Denkmalschutz stehende jüdische Friedhof in Nottuln liegt am Uphovener Weg vor der Wohnanlage mit Service. Während der NS-Zeit wurde er geschändet und größtenteils „abgeräumt“. Nach Kriegsende bemühte man sich, den Friedhof mit etwa 60 Gräbern wiederherzustellen. Dabei wurden 24 beschädigte Grabsteine mit neuen Inschrifttafeln versehen. Familienangehörige der dort Bestatteten dürfen auch heute noch hier beerdigt werden.
Blickpunkt Nottuln
Die Stolpersteine auf dem Fußweg vor dem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus der Familie Lippers, Kirchplatz 4, erinnern an die Opfer der NS-Zeit. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat sie hier 2005 installiert. Ein Mahnmal gegen das Vergessen und Wegschauen

Beth Hachajim - Haus des Lebens

Der Jüdische Friedhof hat jetzt einen Namen

Wenn wir am jüdischen Friedhof vorbeikommen, schweift unser Blick über die Hecke zum schmiedeeisernen Eingangstor. Rechts und links daneben stehen gemauerte Pfeiler. Was sich dahinter verbirgt, erschließt sich einem nicht gleich, es sei denn, man geht in die dahinterliegende Wohnanlage und bekommt einen etwas höheren Standort. Ansonsten umschließt den Friedhof eine Hecke.

Im zeitigen Frühjahr des Jahres 2020 begannen wir einen Bildband über Nottuln zu schreiben und zu gestalten. Der jüdische Friedhof sollte dort ebenfalls einen Platz bekommen. Umso mehr wir uns damit beschäftigten, verfestigte sich unsere Idee, den jüdischen Friedhof in Nottuln, der übrigens seit 1990 unter Denkmalschutz steht, mit einer Bronzetafel auszustatten. Ein Jeder sollte erkennen, dass sich an diesem Ort bereits seit circa 1700 ein jüdischer Friedhof befindet.

Wir setzten uns mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe in Verbindung und bekamen dessen Befürwortung für das Projekt. Auch unserem Bürgermeister Dr. Dietmar Thönnes, als Vertreter der Gemeinde Nottuln stellten wir unsere Idee mit eigener Kostenübernahme vor, er bedankte sich für unser Engagement. Nachdem alle zugestimmt hatten, entwarfen wir eine Grafik zur Bronzetafel und ließen diese in einer Kunstgießerei nach Begutachtung der Beteiligten gießen. Das Ergebnis gefiel allen sehr gut.

Mit Hilfe der Wasserwerker der Gemeinde Nottuln bekam die Bronzetafel im Dezember 2021 ihren Platz am Eingang des jüdischen Friedhofs. Die Aufschrift „Beth Hachajim“ ist hebräisch und bedeutet "Haus des Lebens". Wir fanden diesen Namen sehr passend, sind doch sonst mit einem Friedhof Begriffe wie Tod und Trauer verbunden. Im jüdischen Glauben spielt - wie auch im Christentum - die Auferstehung der Toten und damit der Friedhof eine gewichtige Rolle. Ein weiterer hebräischer Name hierfür »Beth Olam« Haus der Ewigkeit, deutet darauf hin, dass verstorbene Juden nach dem Verständnis der Gläubigen in ihren Gräbern ewige Ruherechte haben. 

Das Leben und Leiden der Juden in Nottuln...

Das tägliche Leben der Juden im Dorf Nottuln war auch vor der NS-Zeit nicht immer einfach, doch verstanden sie es, sich mit ihrer Arbeit in das übrige wirtschaftliche Umfeld zu integrieren. In der Regel waren sie als Kaufleute oder Händler tätig, so auch die beiden Familien Lippers und Gerson. Mit den Nachbarn lebten sie friedlich zusammen und waren in das dörfliche Leben eingebunden.

All das änderte sich 1933, als Adolf Hitler an die Macht kam. In Nottuln ernannte man ihn - wie auch in anderen Gemeinden - zum Ehrenbürger. Damit begann ein unerträglicher Leidensweg der Juden in Deutschland. Nach einem Beschluss des Gemeinderates durften sie bereits ab 1935 in Nottuln nicht mehr zuziehen oder Grundbesitz erwerben. Während des Novemberpogroms im Jahre 1938 schlugen einige Nottulner Bürger die Scheiben des Geschäftes der Familie Lippers ein, ohne Rücksicht auf anwesende Kinder zu nehmen. Später wurden die dort wohnenden Juden deportiert und in Konzentrationslagern barbarisch umgebracht. Da half selbst die vorherige Flucht nach Holland nicht, auch dort erreichte und verhaftete man sie. 

Jeder Stein hat sein eigenes Schicksal ...

Heute erinnern die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der sie auf dem Fußweg vor dem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus der Familie Lippers, am Stiftsplatz 4, im Jahre 2005 installiert hat, an die Opfer der NS-Zeit. 

Mittlerweile stehen circa 75.000 Stolpersteine in 1.265 deutschen Kommunen und 24 Staaten Europas. Somit handelt es sich wohl um das größte dezentrale Mahnmal der Welt.

Ein Mahnmal gegen das Vergessen und Wegschauen.

 

Artikel ergänzt am 15.02.2022