Blickpunkt Nottuln
14.10.2025
Blickpunkt Nottuln
Nach der Fällung der Koreatanne haben wir an gleicher Stelle einen neuen Weihnachtsbaum gepflanzt, der, wie man sieht, auch schon wieder eine stattliche Höhe erreicht hat
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Auch im neuen Weihnachtsbaum hat schon wieder ein Buchfinkenpaar Nachwuchs bekommen, der recht aufmüpfig in seine neue Welt schaut
Blickpunkt Nottuln
Übrigens verzichten wir auf einen Weihnachtsbaum in der Wohnung und erfreuen uns anstatt dessen an unserer Pyramide, die sich langsam im Kerzenlicht dreht. Auf dem Bild ist "unsere" Mutter mit Mister Fips zu sehen, beide sind inzwischen leider schon verstorben. Wir hoffen, dass sie irgendwo dort oben wieder so vereint zusammensitzen und zufrieden auf uns herunterschauen - trotzdem, sie fehlen uns sehr

Der Weihnachtsbaum ...

... oder alles wird gut

Wie jedes Jahr zur Adventszeit stand ich auf der Terrasse und schaute unseren Weihnachtsbaum an. Seit zwanzig Jahren steht er dort und hat uns viel Freude bereitet. Kurz vor Weihnachten schmücken wir ihn mit elektrischen Kerzen. Dann strahlt er über die ganze Terrasse hinweg und leuchtet bis ins Wohnzimmer hinein. Eine schöne Koreatanne, die im Frühjahr ganz viele blaue Zapfen bekommt, herrlich anzuschauen im Kontrast zu den kräftig grünen Tannenzweigen. Jetzt war sie zu groß geworden, selbst die überlange Kerzenkette hatte letztes Weihnachten nicht mehr gereicht. Zudem drückten die starken Äste schon gegen das Glasdach.

Doch unseren Weihnachtsbaum einfach zu fällen, das fiel mir schwer. Gerne hätte ich es wieder einmal aufs nächste Jahr verschoben. Schließlich hatte er uns viele Jahre mit seiner Anwesenheit verwöhnt. Im Frühjahr leuchtete sein frisches Grün, im Sommer spendete er Schatten und schützte uns vor neugierigen Blicken, im Herbst hielt er den Wind ab und im Winter bot er Schutz vor Frost und Kälte. Aber nicht nur wir, sondern viele andere Erdbewohner wussten ihn zu schätzen. Die Finken fraßen im Winter bei bitterer Kälte die Samen aus den Zapfen. Und was herunterfiel, darüber freuten sich die Mäuse und schlugen sich ihrerseits die Bäuche voll. Auch die Buchfinken hatten einen Narren an der Tanne gefressen und bauten ihr Nest hinein. Das fröhliche Zwitschern und Zetern der Jungen, die putzmunter herausschauten, war auf der Terrasse deutlich zu hören.

Und jetzt, sollte er weg, dieser mächtige, wunderschön verzweigte Weihnachtsbaum? Am nächsten Morgen war es so weit. Schweren Herzens kappte ich die ausladenden Äste und dann die Spitze. Das Herz des Baumes, die Wurzel, sträubte sich vehement, bis sie sich ihrem Schicksal ergab. Glücklicherweise war es kurz vor Advent und meine liebe Frau Karin, flocht aus den Tannenzweigen drei wunderschöne Adventskränze. Einer zierte die Haustür, einer stand auf dem Esstisch und einen weiteren nahmen wir unserer Mutter in die Rehaklinik mit, die sich riesig darüber freute.

Die anderen voll benadelten Äste, eigentlich zu schade, um sie wegzuschmeißen, schichteten wir am Gartenzaun auf. Am nächsten Tag holte sie der Gärtner Thomas ab: „Die werden zu Ostern verbrannt“ meinte er lakonisch. So, dass war’s jetzt, dachte ich, dieses Kapitel ist nun endlich abgeschlossen. Noch schnell einen neuen kleinen Weihnachtsbaum eingepflanzt und Weihnachten kann kommen. Aber weit gefehlt, wie sich später herausstellte.

Es war Donnerstag, der 20. Dezember, ich saß gerade am Schreibtisch, als das Telefon klingelte. „Hier ist Thomas, grüß dich Jürgen, ein frohes Weihnachtsfest wollte ich dir und deiner Familie wünschen. Ach, übrigens, ich muss dir erzählen, was aus deinen Tannenzweigen geworden ist. Eigentlich hatte ich ja vor, sie zu verbrennen, aber dann plagte mich doch das schlechte Gewissen, schließlich haben solch edle Tannenzweige etwas Besseres verdient.“ „Und dann war er da, der gute Gedanke“, erzählte mir Thomas, „er heißt Herta! Ich kenne sie schon länger und weiß, dass sie sich immer wieder für gute Zwecke einsetzt - vielleicht konnte sie die Tannenzweige gebrauchen“, erzählte Thomas weiter. „Und wahrhaftig, schnell war sie Feuer und Flamme und ich brachte ihr die Tannenzweige vorbei.“ „Daraus können wir schöne Adventskränze flechten und sie für einen guten Zweck verkaufen“, hatte Herta begeistert gerufen.

So geschah es dann auch! Viele Adventskränze fanden ein schönes zu Hause und strahlten nun bis Weihnachten anheimelndes Kerzenlicht aus. Irgendwie war das für mich, aber auch für Thomas, ich merkte es selbst durchs Telefon, eine sehr bewegende Geschichte, die uns da widerfuhr. Thomas hatte auch einen dieser Adventskränze geschenkt bekommen und sich sehr darüber gefreut. „Seit Jahren wieder der erste“, verriet er mir glücklich. Und dass zum guten Schluss der Verkaufserlös der Aktion auch noch zu strahlenden Kindergesichtern führte, das ließ selbst uns die Augen feucht werden.

So hatte dieser Weihnachtsbaum etwas erreicht, was uns Menschen oft schwerfällt. Er hat den Menschen und anderen Erdbewohnern im Leben und selbst danach sehr viel Freude bereitet. So geschehen in Nottuln, zu Weihnachten 2007. 
Übrigens haben wir, wie bereits angemerkt, an gleicher Stelle einen neuen Weihnachtsbaum gepflanzt, der über die Jahre schon wieder eine stattliche Höhe erreicht hat. Auf einen eigenen Weihnachtsbaum in der Wohnung verzichten wir allerdings und stellen anstatt dessen seit vielen Jahren eine Pyramide auf. Das Grundgestell stammt aus der Behindertenwerkstatt in Bethel, die geschnitzten Figuren haben wir über viele Jahre hinweg auf Weihnachtsmärkten und in Münster erworben.

Auf dem Bild links unten ist "unsere" Mutter mit Mister Fips zu sehen, beide sind inzwischen leider verstorben. Wir hoffen, dass sie irgendwo dort oben wieder so herzlich vereint zusammensitzen und zufrieden auf uns herunterschauen - trotzdem, sie fehlen uns sehr ...

© Jürgen Gerhard, Nottuln im Dezember 2022

Wir, Karin und Jürgen Gerhard von der Redaktion und Sir Trusty, wünschen Ihnen und Ihrer Familie ein schöne Adventszeit und ein frohes, friedliches Weihnachtsfest