Noble Fahrradhotels machen keine fahrradfreundliche Gemeinde
Diese Erkenntnis wird allen Nottulnern spätestens deutlich, wenn sie heute aus den Medien erfahren, dass Nottuln in der Wertung des ADFC Fahrradklima-Test 2022 der Gemeinden unter 20.000 Einwohner (bei 474 Nennungen) auf dem 278. Platz mit der Note "Ausreichend" gelandet ist. Selbst unsere Nachbargemeinden Billerbeck (Platz 19) und Havixbeck (Platz 46) liegen noch vor uns.
Schuld daran sind in Nottuln offensichtlich die maroden, schadhaften Fahrradwege, doch die sind letztendlich das Wichtigste für den aktiven Fahrradfahrer. Hierbei spielt natürlich die Sicherheit eine wesentliche Rolle und diese ist natürlich noch viel weniger gegeben, wenn die Radfahrer aufgrund beschädigter Fahrbahnen auf die Straße ausweichen müssen - da helfen auch keine Hinweisschilder. Doch dieser Zustand ist ja nicht erst seit gestern vorhanden.
Folglich war und ist es sicherlich sinnvoller, finanzielle Mittel aus der Gemeindekasse für die Verbesserung der Radfahrwege zu verwenden, das kommt schließlich allen Radfahrern zugute und nicht nur einem begrenzten kleinen Klientel. So hat zum Beispiel die Gemeinde Wettringen seit 2019 vier Millionen Euro in den Radwegausbau gesteckt und bekam dafür in der Gesamtwertung die Endnote 2,0, das bedeutete Platz 1: „Chapeau!“
Was den Denkmalschutz anbetrifft, so wirken die exklusiven, vom Hersteller/Vertrieb benannten Bike-Hotels für insgesamt fünf Fahrräder, wie Fremdkörper im historischen Ortskern und beeinflussen das Gesamtbild des geschichtsträchtigen, historischen Ortskerns negativ (siehe Bild links). Wenn es denn unbedingt sein muss, gibt es dafür bessere Standorte. Die Nutzung ist übrigens für Fahrradfahrer kostenlos.
Wir hatten unserem Bürgermeister Dr. Dietmar Thönnes mitgeteilt, dass wir vorhaben - wie bereits von der WN geschehen - ebenfalls einen Artikel bezüglich der Fahrradhotels im Nottulner Blickpunkt zu veröffentlichen und ihm vorher die Gelegenheit gegeben, einige Fragen kurzfristig zu beantworten. Laut seiner Mitteilung wird die Beantwortung allerdings eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, weil die zuständigen Mitarbeitenden gerade in laufenden Projekten stark eingespannt sind.
Um die Aktualität auch im Hinblick auf die Artikel in der WN zu wahren, haben wir uns entschlossen, diesen kurzen Artikel einzustellen und mit Rücksichtnahme daraufhin, später, nachdem die Mitteilung unseres Bürgermeisters hier eingegangen ist, ihn zu ergänzen.
Anmerkung:
Die Mitteilung der Gemeinde ist eingegangen, Ergänzung ist unten erfolgt.
Mit besten Grüßen
Die Redaktion
(Aktualisiert am 25. 04.2023, um 18:40 Uhr)
Ergänzung des Artikels aufgrund der gemeindlichen Stellungnahme:
Der Nottulner Blickpunkt hat aufgrund seiner Anfragen an den Bürgermeister die Stellungnahme der Gemeinde Nottuln erhalten. Dipl.-Ing. Daniel Krüger nahm im Auftrag des Bürgermeisters Dr. Dietmar Thönnes dazu Stellung.
Kosten für die Gemeinde
Der Stellungnahme entnehmen wir, dass die Gesamtkosten für die Fahrradhotelanlage insgesamt rund 13.000 Euro betragen. Sie sind Bestandteil eines Gesamtprojektes, was nach LEADER zu 65 % gefördert wurde.
Somit verbleibt bei der Gemeinde Nottuln ein Eigenanteil von 4.550 Euro, das ist kein Pappenstiel!
Standort der Anlage
Daniel Krüger: "Der Standort wurde durch Herrn Dr. Thönnes und weiteren Mitarbeitern der Verwaltung ausgesucht. Hintergrund war, dass aufgrund des Denkmalschutzes im direkten Ortskern Fahrradboxen nicht gepasst hätten. Die gewählte Fläche ist nicht im direkten Ortskern und stand als ungenutzte Freifläche zur Verfügung (es mussten keine Parkplätze aufgegeben werden). Der Denkmalschutz war beteiligt und hat verschiedene Standortvorschläge im Ortskern ausgeschlossen, v. a. wenn sie direkt vor einem Denkmal lagen und den Blick hierauf beeinträchtigt haben: z. B. Aschebergsche Kurie, Alte Amtmannei."
Diese Aussage kann der Nottulner Blickpunkt nicht nachvollziehen. Im obigen Bild wird deutlich, dass die Fahrradhotelanlage rund 15 m vor dem Fachwerken-Ensemble vor der Kurie von Droste zu Senden (Rathaus) errichtet wurde, das ebenfalls zum historischen Ortskern gehört. Wir betonen noch einmal, dass die moderne Fahrradhotelanlage wie ein Fremdkörper im historischen Ortskern wirkt! Aufgrund unserer Fragestellung vermuten wir, dass die Gemeindeverwaltung Nottuln hier wohl in eigener Zuständigkeit als Untere Denkmalschutz-Behörde entschieden hat, ohne die Obere Denkmalschutzbehörde beim Landrat/Kreis Coesfeld oder die Fachabteilung Denkmalschutz beim LWL in Münster zu beteiligen. Ob das die Gemeinde muss oder es sinnvoll erscheint, das sei erst einmal dahingestellt.
Beteiligung des Gemeinderates
Auf unsere Frage, wurde der Gemeinderat beteiligt und wenn ja, wie war sein Votum, bekamen wir folgende Antwort von Daniel Krüger: "Der Gemeinderat wurde immer wieder über das Projekt informiert."
Vorgesehene ordnungsgemäße Nutzung des Fahrradhotels
Unsere Frage hierzu war: „Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Fahrradboxen nicht von Dauerparkern z. B. der Sparkassenmitarbeiter, der Gemeindemitarbeiter oder Mitarbeitern anderer Institutionen und Firmen genutzt werden?"
Daniel Krüger: "Die Boxen sollen den Bürgern/Touristen als sichere Abstellmöglichkeit dienen. Aufgrund der einfachen Verfügbarkeit (wer zuerst, der zuerst) kann jedoch eine Nutzung durch Dauerparker nicht ausgeschlossen werden, wie bei jedem Parkplatz. Wir bewerben die Abstellanlage über die touristische Medien und haben die Bürger:innen über die Presse über die Nutzung informiert."
Das halten wir für keine hinreichende Beantwortung unserer Frage! Somit ist wahrscheinlich dem Missbrauch der Fahrradhotelanlage Tür und Tor geöffnet. Der vom Bürgermeister im Artikel der Westfälischen Nachrichten angesprochene Fahrradtourist, mit seinem schwerbeladenen Fahrrad inclusive Packtaschen, ist dann unseres Erachtens völlig chancenlos.
Unser Schluss-Resümee lautet:
Eine so noble und teure Einrichtung wie die Fahrradhotelanlage für nur fünf Fahrräder und dann noch im historischen Ortskern, ist im wahrsten Sinne des Wortes fehl am Platze! Ein Unterstellplätzchen, ähnlich wie die abgebildete Einrichtung für die Fahrräder des Ratshauspersonals hätte ausgereicht. Überdies könnte die bereits vorhandene Einrichtung allen anderen Fahrradfahrern nach Feierabend und an Wochenenden zur Verfügung gestellt werden. Ein kleines Hinweisschild auf diese Möglichkeit ist sicherlich sinnvoll, weil der Fahrradunterstand etwas verborgen im Hinterhof der Sendenschen Kurie - Rathaus - liegt (siehe Bild). Zudem ist es wesentlich billiger als die Anschaffung und Aufstellung so nobler Fahrradhotels, zu denen der profane Name „Fahrradbox“ nun wirklich nicht ganz passt.
Ein Passant sagte angesichts dieser Anlage mit einem Augenzwinkern: "Das sind wohl jetzt die Außentresore der Sparkasse." Es gab übrigens viele Gerüchte über diese Anlage, da sie schon vor Wochen aufgestellt und erst kürzlich bezeichnet und mit entsprechender Nutzungsanleitung versehen wurde.
Trotz allem glauben wir, dass unserer Bürgermeister Dr. Dietmar Thönnes die Zeichen der Zeit längst erkannt hat und den Fahrradwegausbau incl. Fahrradwegreparaturen demnächst auf den Weg bringen wird, schließlich ist er selbst passionierter Radfahrer. Gut wäre es dafür, einen Sonderfonds in der Haushaltskasse einzuplanen, sodass bald mit den dazu erforderlichen Arbeiten begonnen werden kann. Ein „Befriedigend“ für Nottuln als Beurteilung wäre spätestens beim ADFC Fahrradklima-Test 2024 (der Gemeinden unter 20.000 Einwohner) ein gutes Ziel! Wir finden, das sollte machbar sein.
Die Redaktion
Letzte Aktualisierung am 26.04.2023, um 21:14 Uhr