- Artikel mit Ergänzung vom 27. Aug. und 2. Sept. 2023, siehe unten -
"Der Hund, dem man einen Maulkorb anlegt, bellt mit dem Hintern", so der deutsche Dichter Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), der in diesem Zusammenhang folgendermaßen fortfährt: "Das Denken auf Umwegen äußert sich noch missduftiger, durch Perfidie des Ausdrucks."
Auch der Mensch lässt sich keinen Maulkorb anlegen, das sollte unser Bürgermeister Dr. Dietmar Thönnes eigentlich wissen. Wir (die Redakteure) wohnen jetzt seit 35 Jahren in der Gemeinde Nottuln und kein Bürgermeister ist unseres Wissens - zumindest öffentlich - auf die Idee gekommen, den interessierten, betroffenen Bürgern in den Ausschüssen des Gemeinderates das Sprechen zu verbieten, das wäre schon ein starkes Stück!
Nunmehr hat offensichtlich der Bürgermeister und sein beratender Rechtsrat Stefan Kohaus diesbezüglich eine Anfrage an den Landrat des Kreises Coesfeld Dr. Christian Schulze Pellengahr gestellt, denn ohne Grund wäre der wohl kaum darauf eingegangen. Übrigens was seine Stellungnahme betrifft, so ist kaum vorstellbar, dass der Landrat der Gemeinde Nottuln diesbezüglich eine Weisung erteilt hat - soweit geht wahrscheinlich auch nicht seine Entscheidungsbefugnis.
Den beiden Verwaltungsvorständen der Gemeinde Nottuln kann nur empfohlen werden, über ihre Vorstellungen von Demokratie in den Ausschüssen gründlich nachzudenken und sich nicht hinter der Stellungnahme des Landrates zu verstecken, denn das Mitwirken von Bürgern hat in Nottuln nicht nur eine historische, sondern auch eine grundsätzliche Bedeutung. Das Ergebnis kann eigentlich nur sein, von einer massiv einschränkenden Regelung schnellstens Abstand zu nehmen.
Den an den Ausschusssitzungen teilnehmenden, betroffenen Bürgern darf nicht das letzte bisschen unmittelbare Mitwirkung an einem demokratischen Prozess genommen werden, das wär mehr als fatal für die Demokratie in der Gemeinde Nottuln. Das ist sicherlich auch jedem Ausschuss- bzw. Gemeinderatsmitglied bewusst. Das Redebeiträge der Bürger mitunter eine gewisse Emotionalität begleitet, liegt primär in ihrer unmittelbaren Betroffenheit zu dem angesprochenen Thema und ist kein Grund, Ihnen in Zukunft das Rederecht zu verweigern.
Die Demokratie ist keine einfache, aber die solideste und gerechteste Staatsform, die es auf unserem Erdball gibt und sie wird von lebendigen Bürgern und nicht von Duckmäusern gestaltet. Wir sollten zumindest in Nottuln damit aufhören, die Demokratie zu "vereinfachen" und einzuschränken, indem wir die Beteiligungsrechte von Bürgern beschneiden - währet den Anfängen.
Die verschiedenen Ausschüsse in der Gemeinde Nottuln waren seit Jahrzehnten eine besonders gute Schnittstelle für die Bürgerbeteiligung, so etwas gibt man nicht einfach auf. Gerade aufgrund der politischen Entwicklung in Deutschland benötigen wir weitreichende Beteiligungsrechte von Bürgern, auch in Nottuln! Es ist sicherlich nicht verkehrt die Bürger von Nottuln generell zur Teilnahme am Gemeinwesen zu motivieren, denn das macht eine Gemeinde nach außen, über ihre Grenzen hinweg, attraktiv. Das alles sollten wir unserem Bürgermeister und den Politikern gegenüber deutlich zu erkennen geben.
Wahrscheinlich brauchen wir in einigen Gemeinden sogar die Veränderung der DNA hin zur Bürgerkommune, doch das ist ein langer Weg. Allerdings würde ein bisschen Rückenwind dahin sicherlich nicht schaden, sondern eher von Vorteil sein.
Mit demokratischen, besten Wünschen für eine weiterhin willkommene Bürgerbeteiligung in den Ausschüssen.
Ergänzung vom 27.8.2023:
Auch wenn es tatsächlich kein Rederecht im Rahmen der Gemeindeordnung geben sollte (?), so hatten doch bisher ausnahmslos alle demokratischen Ausschussvorsitzenden den Mut, den Nottulner Bürgern im Rahmen der Selbstverpflichtung die Möglichkeit zu geben, etwaige Bedenken oder auch konstruktive Anregungen zu den besprochenen Vorhaben zu äußern. Mehrfach flossen diese auch in die späteren Empfehlungen der Ausschüsse an den Gemeinderat ein. Schließlich steckt gerade in Nottuln bei vielen Bürgern ein hohes Potential an Fachwissen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Es wäre geradezu schädlich für die Gemeinde Nottuln, das unberücksichtigt außen vorzulassen.
Somit stellt sich letztendlich grundsätzlich die Frage: Wer will eigentlich in Zukunft die Ausschussvorsitzenden daran hindern, weiterhin (wie bisher, auch ohne Rederecht) im Rahmen der bisherigen Selbstverpflichtung (ohne Zwang durch eine gesetzliche Regelung), die anwesenden Bürger im Ausschuss zu Wort kommen zu lassen - etwa der Bürgermeister Dr. Dietmar Thönnes? Das können wir uns nicht vorstellen, schließlich kann sich das ein kristallklarer Demokrat nicht leisten, ohne seinem Ruf auf Dauer erheblich zu schaden.
Wir haben die einzelnen Ausschussvorsitzenden gefragt, wie sie sich in dieser Angelegenheit verhalten wollen und werden nach Eingang der Antworten darüber berichten.
Ergänzung vom 2. Sept. 2023:
Auf unsere Anfrage vom Montag haben wir erst am Freitag, also gestern um 20.30 Uhr, eine gemeinsame Antwort von drei Ausschussvorsitzenden durch Hartmut Rulle per E-Mail übersandt bekommen. Verwunderlich war für uns, dass in den Westfälischen Nachrichten (WN) bereits heute, am Samstagmorgen, dem 2. Sept., die Stellungnahmen der Parteien veröffentlicht wurden, obwohl der Redaktionsschluss bei der WN nach meinem Kenntnisstand spätestens um 17.00 Uhr am Vortag ist. Diese Auskunft bekam ich zumindest immer von der WN, wenn ich früher Leserbriefe dorthin geschickt habe, und das war sehr oft der Fall.
Lediglich der Vorsitzende des Ausschusses für Sport, Kultur und Ehrenamt Martin Gausebeck von der SPD übersandte mir bereits am Mittwoch seine Stellungnahme, dafür sind wir ihm sehr dankbar.
Die Stellungnahmen der Vorsitzenden des Ausschusses für Umwelt und Mobilität, Frau Dr. Susanne Diekmann (Bündnis 90/Die Grünen) und des Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses, Dr. Martin Geuking (FDP) liegen uns leider noch nicht vor.
Trotzdem versuchen wir, bis spätestens Sonntagnachmittag den zweiten Teil des Artikels "Maulkorb für Nottulner Bürger?" in den NB einzustellen. Wir bitten unsere Leser, die zu unserer Freude immer zahlreicher werden, etwas Geduld mit uns zu haben.
Ihre Redaktion
Karin und Jürgen Gerhard